Deutschsprachig-jüdische Literatur seit der Aufklärung

Deutschsprachig-jüdische Literatur seit der Aufklärung

Neue Forschungszugänge in Paradigmen

Das Projekt

Ziel des vorliegenden Projektes, das wesentlich auf einen Erstantrag von Petra Ernst-Kühr († 2016) aufbaut, ist eine grundlegende und systematische Darstellung deutschsprachig-jüdischer Literatur seit der Aufklärung in ihrem gesamten Verbreitungsgebiet, aufbauend auf einem kulturwissenschaftlichen Textverständnis, ferner auf Ansätze aus der Rezeptionsästhetik, der Übersetzungs-Transfer-, Raum- und Medientheorie sowie der Wissenschaftsgeschichte. Ausgangspunkt ist dabei die These, dass jüdisches Denken und deutschsprachig-jüdische Literatur nicht primär assimilatorisch an künstlerisch-literarischen und wissenschaftlichen Entwicklungen im deutschsprachigen Raum partizipierten, sondern dass sie diese in dialogischer Weise und Impuls gebend maßgeblich mitkonstituiert haben. Traditionelle Ordnungskriterien wie Nation, Identität, Kultur und Religion werden ebenso wie Bemühungen um Einheit, Kanonisierung, um binäre Unterscheidbarkeit in jüdische und nichtjüdische Kultur und Literatur zurückgestellt zugunsten offenerer Zugänge in Paradigmen.

Diese Paradigmen begegnen den Master-Narrativen mit forschungsorientierter Reflexion und Exemplarität, mit einem Wechsel in der Darstellungsperspektive, um verborgene Zusammenhänge aufzuspüren und synchron wie diachron Vergleiche und Querschnitte zu ermöglichen. Festschreibungen und Vereinnahmungen lassen sich auf diese Weise eher umgehen und der polyphone und interkulturelle Raum der deutschsprachig-jüdischen Literatur kann profilierter, auch akzentuierter in den Mittelpunkt treten, wobei die Leser ebenfalls als Faktoren im Kontext literarischer Produktion und kultureller Debatten zu Wort kommen. Ansätze und Anregungen in diese Richtung liegen im Yale Companion to Jewish Writing and Thought in German Culture oder in Dan Diners Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur vor. Indem diese historisch breiter angelegt sind, können sie jedoch Vertiefungen nur bedingt vornehmen. Diesem Umstand trägt die Paradigmen-Struktur des Projekts, dessen Ergebnisse in sechs Handbücher einfließen soll, Rechnung; Paradigmen, die einerseits eine Anbindung an grundsätzliche, zeitlich übergreifende Frage- und Problemstellungen ermöglichen, andererseits exemplarische und kontroverse Positionen einbeziehende Vertiefungen vorsehen. Diese Paradigmen korrespondieren auch den Forschungsexpertisen an den teilnehmenden Universitäten und deren jeweiligen Projektleitern (siehe rechts).

Im Rahmen der Gesamtkonzeption des Projekts wird zudem eine Vernetzung mit anderen Disziplinen angestrebt, anhand einer begleitenden Online-Plattform einerseits digitale Datenrecherche und Datenspeicherung angepeilt, andererseits ein Dialog mit der interessierten Forschungs-Community ermöglicht. Begleitet wird dieses Projekt von mehreren Workshops und Tagungen an den vier Standorten; eine Kooptierung weiterer Standorte bzw. von Expertinnen und Experten ist grundsätzlich möglich und angedacht.

Titelbild: CC-BY-NC-SA: Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin / Atelier Schneider

Daten und Fakten

Internationales DACH-Projekt

Lead Agency: FWF (Partner: DFG, SNF) I 4177

Laufzeit: November 2019 bis Juli 2023

Projektleitung

Primus-Heinz Kucher, Universität Klagenfurt, Institut für Germanistik

Projektpartner

Nationaler Forschungspartner: Gerald Lamprecht, Leiter des Centrum für Jüdische Studien, Universität Graz

DFG-Partner: Stephan Braese, Prof. für Europäisch-jüdische Literatur- und Kulturgeschichte am Institut für Germanistische und Allgemeine Literaturwissenschaften der RWTH Aachen

SNF-Partner: Alfred Bodenheimer, Prof. für Religionsgeschichte und Literatur des Judentums an der Universität Basel