FRANKL, LUDWIG: DER ALTE UND DER NEUE FRIEDHOF DER JUDEN
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In: Dr. Bloch’s oesterreichische Wochenschrift. Centralorgan für die gesammten Interessen des Judenthums 10 (1892), S. 173.
[Orthographie und Zeichensetzung des Originals wurden bei dieser Transkription übernommen.]
Währing.
Bald werden einsam ruhen hier die Todten,
Noch nahen Wehmuth, Schmerz den Friedhofsteinen,
Doch immer selt`ner werden sie erscheinen,
Allmälig lös`t der Tod die Liebesknoten.
Es kommen neue, künftige Geschlechter,
Kaum können Spruch und Namen sie noch lesen,
Wer sind die längst Vermoderten gewesen?
Vergessenheit sitzt da als Todtenwächter.
Das Feld liegt, eine steinerne Historie,
Die Sage nur erhebt die Todtenklage,
Die sich als Epheu schlingt um Sarkophage,
Und dämmert als des Märtyr`thumes Glorie.
Hier stehen Steine flach, wie weiße Hände,
Einfach gemeißelt nach dem Brauch des Ahnen,
Den Lebenden zu winken, sie zu mahnen:
Ruh` ist nur innerhalb der Friedhofwände.
Nichts als die Gruft war unsern Vätern eigen,
Auf steter Flucht, gejagt zu allen Zeiten,
Wie konnten Mausoleen sie bereiten,
Mit heit`rem Blumenschmuck die Gruft umzweigen!
Nur Ein Erbarmen wurde menschlich ihnen:
Wenn die Geächteten zu sterben lagen,
Mit ihnen still zu beten und zu „sagen“
Ist fromm die „heil`ge Bruderschaft“ erschienen;
Die letzte Lieb` erwies sie noch der Leiche,
Nicht feile Hände durften sie bekleiden,
Und bettete sie sanft nach Erdenleiden,
Zum letzten Schlaf im dunklen Todtenreiche.
Simmering.
Wie hell des neuen Friedhofs Hallen glänzen!
Bald aufgebraucht sind alle Marmorbrüche
Für Mausoleen, d`rauf viel gold`ne Sprüche,
Geplündert wird ein ganzer Lenz zu Kränzen.
Doch ebenbürtig sind die in den Särgen
Und nicht beschämt erröthen soll der Todte,
Auch ihn ruft einst der Auferstehungsbote,
Wenngleich ihn keine stolzen Hallen bergen.
Ihr, jetzt von bess`rer Zeiten Licht beschienen,
Schmückt nur mit reichem Pomp die Gruft der Euren –
Die Sitte aber der Altvordern Theuern,
Die fromme Bruderliebe stirbt mit ihnen!
Originaltext
Transkript