Rosenfeld, Oskar

Geb. 13.5.1884 in Koritschan (Österreich-Ungarn, heute Koryčany, Tschech. Rep.) – gest./ermordet (vermutl.) im August 1944 in Auschwitz.

Schriftsteller, Feuilletonist, Kritiker, Regisseur, Dramaturg, Schauspieler.

Nach erfolgreich absolvierter Matura am Gymnasium in Ungarisch Brod/ Hradiste, übersiedelte O. Rosenfeld (OR) nach Wien, wo er 1902 ein Studium der Kunstgeschichte und Philologie begann, Theodor Herzl kennenlernte und für Zeitungen u. Zeitschriften, zunächst für das Znaimer Wochenblatt, dann aber auch für die bedeutende Jhdt.-Wende Zs. Die Zeit, Feuilletons zu schreiben begann. Nach der Promotion (Thema: Philipp Otto Runge in der Romantik) im Jahre 1907 (5.7.) widmete er sich vorwiegend literarischen, publizistischen und künstlerischen Interessen. Um 1908 begründete OR zusammen mit Egon Brecher, Hugo Zuckermann und Leo Goldhammer ein jüdisches Ensemble, das im Intimen Theater in der Praterstraße 34 angesiedelt war, um anspruchsvolle jüdische Stücke aus versch. Sprachen auf Deutsch zu inszenieren. In diesem Ensemble wirkte er als Regisseur und Dramaturg, aber auch als Schauspieler mit. 1910 trat er mit einer ersten Lesung (Novellen und Skizzen) in der Jüdischen Lesehalle der Wiener Hochschüler in Erscheinung, traf jedoch auf harsche Einwendungen beim Kritiker der Jüdischen Volksstimme. Dennoch wurde er für den nächsten Lesetermin, gem. mit Hugo Zuckermann u. Theodor Reik wieder eingeladen, offenbar auch deshalb, weil bereits im Juli 1910 sein Roman Die vierte Galerie erschienen und (wiederum kontrovers) besprochen worden war. Ab 1911 veröffentlichte er seine Feuilletons u. Erzählungen auch im Pester Lloyd sowie in der Kulturzeitschrift Merker. 1912 wirkte er u.a. an Leseabenden des Wiener Schriftstellervereins Die Scholle mit, 1913 folgte die Ernennung zum Ltn. d. Reserve, 1915 zum Oberltn. Unter dem Eindruck des Krieges, den er aktiv in einem Infanterieregiment mitmachte, verstärkten sich auch seine zionistischen Interessen. Ersten publizistischen Niederschlag fanden diese in einem Artikel mit dem Titel Balkanzionismus, ferner in der Mitarbeit an der Zs. Esra sowie an der Wiener Morgenzeitung (ab 1919). 1920 erschien der Novellenbd. Tage und Nächte, der ob seiner Eindringlichkeit und prägnanten Sprache („vom Schicksal zerzauste Menschen…“) auf positive Aufnahme stieß und „nordischen Erzählern“ zur Seite gestellt wurde. 1923 veröffentlichte OR gelegentlich in der Wage Eine Wiener Wochenschrift. (1898-1925), Begr. u. Hg. von Rudolf Lothar (1898-1902, urspr. R. Spitzer), sowie ab 1924 auch im NWJ, während in der Morgenzeitung 1924-25 die Kunstkritik überwog (u.a. Russische Moderne, Französische Impressionisten oder Einzelausstellungen). Dabei besprach er u.a. das literarische wie zeichnerische Werk von Uriel Birnbaum oder die deutsche Uraufführung des Dybuk.

Im April-Mai 1925 unternahm er eine Bulgarienreise, über die er anschließend Vorträge hielt und Feuilletons verfasste. Tief beeindruckt zeigt sich OR von der ›Jüd. Volksbühne‹, die 1906 nach dem Vorbild der 1890 gegr. Berliner Volksbühne (Leitung von Otto Brahm u. Bruno Wille) modelliert war, und in der Praterstraße situiert war.  Diese vermochte z.B. 1926 mit einfachen Mitteln und Liedern der aus Kiew gebürtigen Hilda Dulitzkaja (1892-1953) ein rührendes Programm vorzulegen. 1927 traf er offenbar L. Pirandello u. veröffentlichte hierzu einen Beitrag über die Zukunft des Theaters. Im selben Jahr übertrug OR den Golem von H. Leivick (1888-1958) aus dem Jiddischen ins Deutsche für eine geplante Bühnenaufführung in den Kammerspielen. 1929 trat er als Leiter der Künstlergruppe ›Die jüdische Harfe‹ in den Künstlerspielen (Theater Reklame) in Erscheinung und wurde Mitarbeiter, dann Redakteur der jüd. Wochenschrift Die neue Welt. Im Zuge des Gastauftritts der Wilnaer Truppe(jiddisch ווילנער טרופע Vilner trupe) (1930) entwickelte OR gemeinsam mit A. Stein die Idee einer ständigen jüdischen Bühne für dieses Ensemble in Wien, die sich allerdings nicht umsetzen ließ. In den Folgejahren bot er Kurse zu Kunstfragen an und erhielt 1932 die Einladung, das Kunstmuseum in Tel Aviv zu reorganisieren, ein Projekt, das, wie viele zu jener Zeit, letztlich nicht umgesetzt wurde. Oskar Rosenfelds Aktionsradius schränkte sich aufgrund der sich ändernden politischen Rahmenbedingungen vielmehr zunehmend ein. 1933 trat er im Zusammenhang mit der ersten deutschsprach. Aufführung von O. Dymows Der Sänger seiner Trauer im Wiener Volksbildungshaus Stöbergasse (5. Bez.) wieder an die Öffentlichkeit (Der Abend, 20.11.1933). Bis 1937 war er wohl noch als Vortragender zu kunsthistorischen Themen tätig oder wirkte an Veranstaltungen der Jüdischen Künstlerbühne mit, so 1937 anlässl. ihres 10-jährigen Bestehens. Gemeinsam mit Meisels bereitete er für sie eine jiddische Fassung des Stücks Die Sendung Semaels von Arnold Zweig vor, über dessen Aufführung jedoch nichts bekannt ist. Noch am Tage des Anschlusses (12. März 1938) flüchtete er mit seiner Ehefrau Henriette nach Prag, wo er weiterhin publizistisch tätig blieb und zwar mit Texten bis 1940-1941, welche im Jüdischen Nachrichtenblatt veröffentlicht wurden. Seinen letzten Bericht verfasste OR am 25. April 1941, etwa sieben Monate vor der Deportation in das Ghetto Litzmannstadt/Lodz. Im August 1944 wurde er von dort nach Auschwitz deportiert und vermutlich sofort ermordet.


Weitere Werke

Mendl Ruhig. Eine Erzählung aus dem mährischen Gettoleben (Erz., 1914); Tage und Nächte (Novellen, 1920); Ewige Mutter (Pantomime, 1927, unveröff.) Wozu noch Welt? Aufzeichnungen aus dem Getto Lodz, hrsg. von Hanno Loewy (1994; engl. Ausgabe: In the Beginning was the Ghetto. 890 Days in Lodz. 2002)

Literatur

Josef Fränkel: Dr. Oskar Rosenfeld – 50 Jahre, in: Die neue Welt, H. 164, 17. 5. 1935, S. 2; Sascha. Feuchert: Oskar Rosenfeld und Oskar Singer. Zwei Autoren des Łodzer Gettos. Frankfurt/M. 2004.

(PHK)

Quellentexte:

➥ Das Problem einer jüdischen Kunst