GRÜNFELD, MAX: SCHOEN-MIRJAM

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In: Dr. Bloch’s Wochenschrift. Wien, H.51, 1906, S. 924-25 bzw. Nr. 52, S. 944-945, Nr. 53, S. 964-965

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Max Grünfeld: Schoen-Mirjam. Eine einfache Geschichte aus dem Leben des mährischen Ghettos.

In: Dr. Bloch’s Wochenschrift. Wien, H.51, 1906, S. 924-25 bzw. Nr. 52, S. 944-945, Nr. 53, S. 964-965

Kurzfassung:

Ausgangspunkt ist ein Leichenzug aus der Gasse an den ‚guten Ort‘. Zu Grabe geleitet wird eine Frau, über die eine andere aus diesem Zug (Gitl) meint, sie sei eine „schöne Person, eine gute Person, ein bissel leichtsinnig“ gewesen, habe aber ihren Sohn, der unter den sechs Trägern des Sarges ist, sehr geliebt. Schoen-Mirjam war ihr Name. Nach erfolgtem Begräbnis wird das Leben dieser Mirjam rekapituliert.

Dieses wird nicht nur mit Akzent auf ihre frühe Schönheit (wie jene Lilien Sarons) erzählt, sondern auch mit dem Verweis auf „einen höheren Flug“ ihres Geistes, der sie über die „grauen Mauern“ des Ghettos weit hinausgebracht hatte (Ende Textteil 1). Teil 2 handelt vom Bildungshunger des jungen Mädchens, das sie in ein Spannungsverhältnis zum Vater Jaakow (Geist des Kindes werde vergiftet), der Lehrer im Cheder ist, bringt, sowie zu den anderen (weibl.) Heranwachsenden in der Gasse; verantwortlich dafür werden die deutschen Bücher gemacht: „Mit der ganzen Welt des Ghetto’s lag sie bald in einem offenen Kampfe“. Sie galt als nicht ehefähig, weil den Männern überlegen, aber ohne ökonom. Ressourcen u. zudem auch als hochmütig. Der 3. Teil berichtet schließlich von ihrem ‚Fall‘: der Verführung durch einen jungen Offizier, der nicht halten kann bzw. will, was er versprach u. einen Glaubenswechsel einfordert, worauf Mirjam nicht eingeht, was jedoch zugleich zum Ruin der Familie führte: ihr Vater ohne Schüler, die Mutter, die einen Milchhandel betrieb, vergrämt; im Zuge des Versöhnungsfestes ein Eklat, an dessen Folgen der Vater verstirbt, bald danach auch die Mutter. Mirjam, selbst Mutter eines Sohnes, wandelt sich zur Büßerin, gestützt auf jene (unverheiratete) Gitl, die ihr hilft, ihn großzuziehen. Der verschwundene Vater des jungen Jaakow hinterlegt monatl. Geld beim Rabbiner, die für seine Ausbildung u. Zukunft gedacht sind. Gitls Bruder (Ahron), ein armer Dorfgeher, verliebt sich bei einem Pessach-Seder in Mirjam, die schließlich in eine Ehe mündete. Dies nützt der Text zu abschließenden Reflexionen über die „vielgeprießene“ moderne Liebe, die Mirjam wenig eingetragen hätte, während die Ehe, „nach altem Gesetz“ dagegen Glück gebracht und ein doch noch erfülltes Leben ermöglicht habe, aus dem Ahron allerdings eines Winterabends jäh gerissen wurde. Mirjams nachfolgenden Jahre waren dem Sohn, dem Ghetto und seinen Sorgen gewidmet, wodurch ihr ‚Sündenfall‘ am Ende aufgerechnet war.