AUTOR*IN UNBEKANNT: STATUT DER HOCHSCHULE FÜR DIE WISSENSCHAFT DES JUDENTHUMS. (JÜDISCH-THEOLOGISCHE FAKULTÄT.)
In: Die Neuzeit. Wochenschrift für politische, religiöse und Cultur-Interessen, 10. Jahrgang, Ausgabe 9 vom 04.03.1870, S. 98f
[Orthographie und Zeichensetzung des Originals wurden bei dieser Transkription übernommen.]
Abschnitt I.
Name und Zweck.
§. 1. Unter dem Namen „Hochschule für Wissenschaft des Judenthums“ wird zu Berlin eine selbstständige, von den Staats-, Gemeinde- und Synagogen-Behörden unabhängige Lehranstalt begründet.
§. 2. Zweck derselben ist die Erhaltung, Fortbildung und Verbreitung der Wissenschaft des Judenthums.
§. 3. Zu diesem Behufe werden zunächst Vorlesungen gehalten, welche die gesammte Wissenschaft des Judenthums umfassen; mit denselben können Uebungen, Disputatorien verbunden werden. Beides wird durch den Lehrplan näher festgestellt.
Abschnitt II.
Begründung und Erhaltung.
§. 4. Begründet wird die Hochschule mit Hülfe derjenigen Capitalien und Beiträge, welche die ersten Mitglieder des Vereins diesem Zwecke gewidmet haben.
§. 5. Erhalten wird die Hochschule
1) durch die Zinsen,
a) der Stiftungscapitalien;
b) der künftig zufallenden Capitalien im Betrage von 100 Thlrn. und darüber;
2) durch einmalige Zuwendungen von weniger als 100 Thlrn.
3) durch die regelmäßigen Beiträge der Vereinsmitglieder.
§. 6. Stiftungen, auch mit besonderen Bestimmungen seitens der Geber, können an der Hochschule begründet oder mit ihr verbunden werden, sobald sie dazu dienen, den Hauptzweck derselben unmittelbar oder mittelbar zu fördern. (Vgl. Fundatoren §. 33.)
Abschnitt III.
Verwaltung.
§. 7. Die Verwaltung der Hochschule geschieht durch ein Curatorium von neun Mitgliedern.
§. 8. Die Pflichten und Befugnisse des Curatoriums bestehen in der Verwaltung des Vermögens der Hochschule, in der Verwendung der Zinsen und sonstigen Einnahmen derselben und der Bestimmung über Ausgabe oder Capitalisirung der letzteren, in der Anstellung und Besoldung der Lehrer, in der Feststellung des jedesmaligen Lehrplans, in der Bestimmung und Beschaffung der Räumlichkeiten, in der Anordnung zur Schöpfung und Fortführung von Attributen (Bibliothek, Sammlungen), in der Vertheilung von Stipendien an Schüler.
§. 9. Die Beschlüsse des Curatoriums, welches sich nach einer von ihm selbst zu bestimmenden Geschäftsordnung constituirt, werden mit zwei Drittel Majorität gefaßt; dasselbe ist beschlußfähig, wenn außer dem Vorsitzenden oder dessen Stellvertreter noch fünf Mitglieder anwesend sind.
§. 10. Als das erste Curatorium sind von den ersten Mitgliedern des Vereins gewählt die Herren:
Prof. Dr. M. Lazarus, W. Schönlank,
Comm.-Rath B. Liebermann Dr. med. M. J. Meyer.
Dr. med. S. Neumann, Dr. phil. S. Gumbinner,
Banquier Herm. Goldschmidt, Dr. jur. Paul Meyer,
sämmtlich zu Berlin,
Dr. Philippson in Bonn.
§. 11. Außer diesen neun Mitgliedern des Curatoriums sind noch drei Stellvertreter in den Herren:
Fabrikbesitzer Alexander Wolff,
Banquier Carl Berthold Simon,
Banquier Meyer Cohn
gewählt, welche in dieser Reihe eintreten, wenn während der ersten Amtsperiode ein Mitglied ausscheidet.
§. 12. Die Amtsdauer des ersten Curatoriums ist auf fünf Jahre festgestellt.
§. 13. Von den Mitgliedern des Curatoriums müssen mindestens sieben in Berlin ansässig sein. Ausgeschlossen von der Mitgliedschaft des Curatoriums sind
1) Die Lehrer dieser Hochschule, 2) in Function stehende Rabbiner und sonstige Cultusbeamte.
§. 14. Nach Ablauf der ersten fünf Jahre, vom Tage der Eröffnung der Hochschule an gerechnet, wird das Curatorium nach folgenden Bestimmungen gewählt:
Die General-Versammlung der Vereinsmitglieder (§. 32), welche drei Monate vor Ablauf der 5 Jahre und dann alljährlich zu berufen ist, wählt nach absoluter Stimmenmehrheit in geheimer Abstimmung und getrenntem Wahlgange Neun Mitglieder.
In jedem folgenden Jahre scheiden, so lange bis eine Reihenfolge festgestellt ist, drei durch das Loos bestimmte Mitglieder aus, welche jedoch wieder wählbar sind. Die regelmäßige Amtsdauer der Curatorion ist im Uebrigen eine dreijährige.
Stimmberechtigt ist jedes Mitglied des Vereins. Das Stimmrecht kann nur persönlich ausgeübt nicht an Stellvertreter übertragen werden.
Abschnitt IV.
Die Lehrer.
§. 15. Die anzustellenden Lehrer müssen denjenigen wissenschaftlichen Grad besitzen, der zur Anstellung an einer Universität berechtigt.
§. 16. Dieselben können sowohl auf Lebenszeit als auf eine Reihe von Jahren angestellt werden und sind verpflichtet, in jedem Semester über diejenige Disciplin, für welche sie berufen sind, Vorlesungen zu halten, resp. die Uebungen und Disputatorien zu leiten, während es ihnen freisteht, zugleich über andere Disciplinen, welche in das Gebiet der Hochschule gehören, Vorlesungen zu halten.
§. 17. Sämmtliche angestellte Lehrer der Hochschule bilden ein Collegium von gleichberechtigten Mitgliedern. Dasselbe constituirt sich behufs der Geschäftsführung im Dienste der Anstalt nach einer von ihm selbst zu entwerfenden, vom Curatorium festzustellenden Geschäftsordnung. Mit der Führung der Matrikel, der persönlichen Vertretung des Lehrercollegiums u. s. w. hat dasselbe alljährlich einen Vorsitzenden zu betrauen. Ueber Wahl und Wiederwahl beschließt daß Collegium.
§. 18. Außer den angestellten Lehrern können auch andere Gelehrte zur Haltung von Vorlesungen vom Curatorium berufen, besonders auch jüngere Gelehrte (Privatdocenten) zugelassen, beziehungsweise denselben Remunerationen dafür bewilligt werden, ohne daß sie deshalb zu den Mitgliedern des Kollegiums der angestellten Lehrer zählen.
§. 19. Das Lehrer-Collegium ist verpflichtet, alljährlich und rechtzeitig das Lections-Verzeichnis zu entwerfen, dem Beirath (§. 23) zur Begutachtung resp. dem Curatorium zur Bestätigung zu unterbreiten, den abgehenden Studirenden der Hochschule Zeugnisse, resp. Diplome unentgeltlich auszufertigen, das Curatorium auf dessen Wunsch in allen persönlichen und sachlichen Fragen mit Gutachten zu versehen; eine gemessene, der Würde der Anstalt entsprechende Disciplin unter den Studirenden aufrecht zu erhalten; endlich für die ordnungsmäßige Erhaltung und Benutzung der Attribute der Hochschule (Bibliothek, Sammlungen u. dgl.) Sorge zu tragen.
§. 20. Dem Lehrercollegium bleibt es vorbehalten wird aber, als der Würde und dem Dienste der Wissenschaft des Judenthums entsprechend empfohlen, sich als eine akademische Körperschaft zu constituiren, zu diesem Behufe in regelmäßigen Versammlungen Vorträge zur gegenseitigen Belehrung zu halten und zur Förderung der Wissenschaft zu veröffentlichen, hiesige und auswärtige Gelehrte als Mitglieder zu ernennen, alle diese akademischen Angelegenheiten nach einer von ihm selbst zu entwerfenden und von dem Curatorium festzustellenden Geschäftsordnung zu vollziehen.
§. 21. Das Curatorium hat die Lehrer zu verpflichten, daß die Vorträge lediglich im reinen Interesse der Wissenschaft des Judenthums, ihrer Erhaltung, Fortbildung und Verbreitung gehalten werden.
§. 22. Dem Curatorium steht ein Beirath zur Seite, dessen Gutachten einzuholen ist:
a) über den Lehrplan,
b) über die Personen der anzustellenden Lehrer
c) über alle wissenschaftlichen Fragen, welche die Hochschule betreffen.
§. 23. Der Beirath besteht
a) aus dem Collegium der angestellten Lehrer,
b) aus 3 bis 6 andern gelehrten oder wissenschaftlich gebildeten, hiesigen oder auswärtigen Männern, welche sich zu diesem Behufe mit dem Lehrercollegium verbinden.
Die Mitglieder des Beirathes ad b werden von dem Curatorium der Generalversammlung vorgeschlagen und von dieser gewählt.
Auch steht den Vereinsmitgliedern frei, In der Generalversammlung Vorschläge zu machen.
(Schluß folgt.)