Geb. 18.4. 1890 in Werbowitz/Horodenka (Galizien), k.k. Österreich-Ungarn (heute: Verbivtsi, Ukraine), gest. 14.3.1945 in New York.

Schauspieler (Theater und Film), Regisseur, Schriftsteller, Exilant

Alexander Granach wurde am 18.4.1890 als Jessaja Szajko Gronach in Werbowitz, einem Dorf im ostgalizischen Bezirk Horodenka, in eine kinderreiche jüdische Familie geboren. Nach einer Ausbildung im Cheder und dem Besuch einer Baron-Hirsch-Schule war er als Bäckergehilfe tätig, zunächst in Horodenka, später in Zaleszczyki, Stanislau und Lemberg. Dort kam er 1905 erstmals mit dem Jiddischen Theater in Berührung. Der Besuch einer Vorstellung von Jacob Gordins Stück Got, mentsch un tajwl im Gimpel-Theater bedeutete für ihn die Initiation in die Welt des Theaters und motivierte seinen Aufbruch nach Berlin, wo er ab 1906 seinen Lebensunterhalt zunächst als Bäcker, Sargtischler und Gelegenheitsarbeiter verdiente und abends auf der Bühne des von ihm mitbegründeten Theatervereins „Jacob Gordin“ im Berliner Scheunenviertel auftrat. Seine fulminante Verkörperung des Teufels in einer Aufführung eben jenes Stückes von Gordin, das in Lemberg seinen Enthusiasmus für das Theater geweckt hatte, ließ den Künstler Hermann Struck auf ihn aufmerksam werden, der ihn dazu animierte, Deutsch zu lernen und ihn zum Schauspielunterricht an Emil Milan empfahl, der ihn als Freischüler aufnahm.

1909 wurde er an der Schauspielschule Max Reinhardts angenommen und erhielt bereits als Student kleine Rollen am Deutschen Theater. Zur Beförderung seiner Schauspielerkarriere ließ er sich in einer risikoreichen Operation die (Bäcker-)Beine brechen und gerade richten und nahm auf Vorschlag des Sekretärs des Deutschen Theaters den Namen Alexander Granach an. Durch den neuen Namen wird auch Granachs Verbindung zum Titelhelden von Karl Emil Franzos‘ Pojaz, Alexander Glatteis, bekräftigt, der für Granach, wie er in seinem autobiographischen Roman Da geht ein Mensch schildert, eine zentrale Identifikationsfigur darstellte.

Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs bedeutete eine radikale Zäsur. Granach kehrte nach Galizien zurück, wo er in die österreichisch-ungarische Armee eingezogen wurde, und als Zugführer mit dem 24. Infanterie-Regiment an der Isonzo-Front kämpfte. Dabei war er, wie er in seiner autobiographischen Narration drastisch vor Augen führt, auch antisemitischen Schikanen in den eigenen Reihen ausgesetzt. Der italienischen Kriegsgefangenschaft entkam er durch Flucht, die ihn vom Gefangenenlager in der Provinz Salerno über die Alpen in die Schweiz führte.

1919 setzte Granach seine Karriere am Schauspielhaus München unter der Leitung von Hermine Körner fort, wo er 1920 als Shylock in Shakespeares Kaufmann von Venedig reüssierte – jener (auch von seinem fiktiven Landsmann Pojaz begehrten) Rolle, die er außerdem 1925 auf der Volksbühne Berlin, auf einer Tournee durch sein erstes Exilland Polen und 1936 in Kiew verkörpern sollte und für die er berühmt wurde. Seine Faszination für die Shakespeare’sche Figur ist in seinem autobiographischen Roman eindrucksvoll dokumentiert. Eine Anregung von Franzos‘ Pojaz aufnehmend, schrieb Granach die Geschichte Shylocks um und setzte diese an das Ende seiner Autobiographie. Seine eigene Lebenserzählung beschließt er mit der Darstellung der Verkörperung seiner Traumrolle 1920 in München. Damit weist er diese – trotz zahlreicher weiterer Erfolge in Theater und Film – gleichsam als Kulminationspunkt seiner Karriere aus und betont seine Identifikation mit der jüdischen Tradition.

Ab 1921 eroberte Granach die Bühnen Berlins und avancierte mit seiner expressionistischen Darstellungskunst rasch zu einem der populärsten Schauspieler der Weimarer Republik. Als bekennender Kommunist, der von der russischen Revolution angetan war, entwickelte er sich zu einem Protagonisten des avantgardistisch orientierten politischen Theaters und arbeitete mit Erwin Piscator, Leopold Jessner und Bertold Brecht zusammen. Parallel zu seiner Theaterarbeit wirkte er in Deutschland vor 1933 an insgesamt 24 Spielfilmen mit, von denen einige – etwa der expressionistische Stummfilm Nosferatu (1922) in der Regie von F. W. Murnau – Meilensteine des deutschen Kinos der zwanziger Jahre darstellten. Ein Meisterwerk des Tonfilms, an dem er mitwirkte, und das die letzte deutschsprachige Filmarbeit werden sollte, bevor er ins Exil gezwungen wurde, stellt der politische Bergarbeiterfilm Kameradschaft in der Regie von Georg W. Papst dar – ein Plädoyer gegen den Krieg und für internationale Solidarität am Vorabend des NS-Regimes.

Nach der Kündigung seines Vertrags am Deutschen Schauspielhaus, an dem er gerade den Mephisto spielte, emigrierte er im Frühjahr 1933 zunächst – nach einer Zwischenstation in der Schweiz – nach Warschau, wo er die Titelrolle in Friedrich Wolfs, im Pariser Exil verfassten Drama Professor Mamlock spielte – ein Stück, das in jiddischer Sprache 1934 in Warschau uraufgeführt wurde und mit dem Granach anschließend auf Tournee durch Polen ging. Nach einer Einladung ans Jiddische Theater in Kiew übersiedelte er in die Sowjetunion, wo er neben seiner Theaterarbeit 1935 die Hauptrolle in dem sowjetischen Spielfilm Poslednij Tabor (Das letzte Zigeunerlager) übernahm, ein Film, der auch mit großem Erfolg in den USA gezeigt wurde. Im November 1937 wurde Granach aufgrund eines Spionage-Verdachts im Zuge der stalinistischen Säuberungen verhaftet. Nach einer Intervention von Lion Feuchtwanger entkam er nach Zürich zur befreundeten Schauspielerin Lotte Lieven. In der Rolle als Macbeth am Schauspielhaus Zürich stand er 1938 das letzte Mal auf einer europäischen Bühne.

Im Frühjahr 1938 emigrierte er in die USA, wo er zunächst versuchte, sich durch Mitwirkung an jiddischen Amateur-Theatern in New York eine Existenz aufzubauen, und die englische Sprache erlernte. Durch Vermittlung des Regisseurs William Dieterle, den er von Berlin kannte, kam er im April 1939 nach Hollywood. Noch im selben Jahr begannen die Dreharbeiten zu Ernst Lubitschs Komödie Ninotschka, in der Granach an der Seite von Greta Garbo den stummen Kommissar Kopalski spielte. Insgesamt wirkte Granach in seinen sieben Jahren in den USA an 15 Spielfilmen mit, darunter Klassiker, wie Hangmen Also Die (1943) in der Regie von Fritz Lang, Sam Woods Hemingway-Verfilmung For Whom The Bell Tolls (1944) mit Ingrid Bergman und Gary Cooper oder Fred Zinnemanns The Seventh Cross (1944). Ende 1944 eroberte er den Broadway als Tomasino in A Bell For Adano von Paul Osborn. Den letzten Brief an seine Freundin Lotte Lieven, datiert vom 18. Januar 1945, schloss er als „the old king of the ostjuden“. Granach starb am 14.3.1945 nach einer Blinddarmoperation.

Sein autobiographischer Roman Da geht ein Mensch, der während seiner Zeit in Hollywood entstanden war, erschien posthum. Im Kreis der deutschsprachigen Exilanten war das Manuskript, aus dem Granach immer wieder einzelne Kapitel vorgetragen hatte, mit Begeisterung aufgenommen worden. Brecht, Feuchtwanger und Döblin waren, wie Briefe und Tagebucheinträge belegen, beeindruckt. Auf Empfehlung von Franz Werfel und Thomas Mann nahm Doubleday das Buch in sein Verlagsprogramm auf. Im Mai 1945 kam es in amerikanischer Übersetzung unter dem Titel There goes an actor heraus. Die deutschsprachige Erstausgabe erschien im selben Jahr unter dem ursprünglichen Titel Da geht ein Mensch im deutschen Exilverlag Neuer Verlag in Schweden.

Quellen und Materialien:

Agde, Günter: Oft Glück gehabt: Der Schauspieler Alexander Granach im Exil. In: John M. Spalek et al. (Hg.): Deutschsprachige Exilliteratur seit 1933. Bd. 3: USA. Supplement 1. Berlin/New York 2010, 29–39.

Granach, Alexander: Da geht ein Mensch. Autobiographischer Roman [1945]. Augsburg 2003.

Granach, Alexander: Du mein liebes Stück Heimat. Briefe an Lotte Lieven aus dem Exil. Hg. von Angelika Wittlich und Hilde Recher. Augsburg 2008.

Klein, Albert/Kruk, Raya: Alexander Granach. Fast verwehte Spuren. Berlin 1994.

Strohmaier, Alexandra: „Die Völker haben diesen Krieg wirklich nicht gewollt!“ Zur Narration des Großen Krieges in Alexander Granachs Da geht ein Mensch. In: transversal – Zeitschrift für Jüdische Studien 9 (2008), H. 2: Der Erste Weltkrieg. Hrsg. von Petra Ernst, 7-24.

Online-Quellen:

https://kuenste-im-exil.de/KIE/Content/DE/Personen/granach-alexander.html

https://archiv.adk.de/bigobjekt/305

https://www.filmportal.de/person/alexander-granach_94ac3c0f798e48b9a96aa329a5c71a44

AS

 

Geb. 26.6. 1821 in Drslawitz/Drslavice, Mähren, Österreich (heute: Tschechische Republik), gest. 28. 12. 1893 in Wien, k.k. Österreich

Jüdischer Gelehrter und Prediger, Orientalist, Autor von religions- und philosophiegeschichtlichen Schriften.

 

Materialien und Quellen:

Tina Walzer: A. Jellinek zum 200. Geburtstag. In: David. Jüd. Kulturzeitschrift H. 6 (2021)

(in Vorbereitung)

 

Quellentexte:

➥ Dante als Verteidiger des Talmud

Geb. 22.10. 1893 in Berlin, gest. 30.12. 1956 in New York.

Journalist, Kritiker, Redakteur, Exilant.

(in Vorbereitung)

Geb. 8.3. 1880 in Bonn, gest. 4.3. 1956 in München.

Drehbuch-, Mode-, Roman- und Sachbuchautorin, Redakteurin, Exilantin.

(in preparation)

Geb. 6.9.1879 in Zwickau, gest. 17.3.1949 in Berlin (West)

Journalist, Schriftsteller

(in Vorbereitung)

 

Geb. 26.3.1876 in Berlin, gest. 4.10. 1933 in Berlin.

(Roman)Schriftsteller, Film- und Literaturkritiker, Filmproduzent.

Materialien und Quellen:

Eintrag auf literaturport.de; Eintrag zu Landsbergers Berlin ohne Juden. In: Wikipedia;

Geret Luhr: Hakenkreuz und Sowjetstern. Artur Landsberger sah die Vertreibung der deutsche Juden in einer optimistischen Groteske voraus. Rezension der Neuauflage des visionären Buches Berlin ohne Juden (1925/1998) in: literaturkritik de.2/2000;

(PHK, in preparation)

Geb. 9.1. 1873 in Radin, Wolhynien/Russland, gest. 4.7.1937 in Wien

Lyriker, Essayist

➥ Offenbarung und Verhüllung in der Sprache

Geb. 20.5.1885 in Arolsen (Hessen, D), gest. 26.6. 1956 in Bat Yam/IL.

Aktivist in der Frauenbewegung, Schriftsteller, Sozialarbeiter, Zionist.

Materialien und Quellen:

Zur Biografie vgl. Eintrag bei Hagalil.com: hier.

in preparation.

Geb. 30.1.1883 in Lübeck (Deutsches Reich), gest./ermordet 26.3.1942 in Biternieki/Riga. Naturwissenschaftler, Rabbiner, Schriftsteller.

Materialien und Quellen:

J. Carlebach Institut, Bar Ilan Universität Ramat Gan, Israel (mit Biographie, Aktivitäten, Werkverzeichnis etc.)

Sabine Niemann (Red.): Die Carlebachs. Eine Rabbinerfamilie aus Deutschland. Ephraim-Carlebach-Stiftung (Hg.), Hamburg: Dölling und Galitz  1995

Eintrag in: Lexikon deutsch-jüdischer Autoren. Band 4: Brech–Carle. Hrsg. vom Archiv Bibliographia Judaica. München: Saur 1996, IS. 436–448;

Shlomo (Peter) Carlebach: Ish Yehudi – The Life and Legacy of a Torah Great. Joseph Tzvi Carlebach. New York: Shearith Joseph Publications 2008;

(in preparation)