Geb. 20.9. 1831 als H. M.A. Schlesinger in Berlin, gest. 1.6. 1919 in Berlin. Frauenrechtsaktivistin und -theoretikerin, Schriftstellerin.
Väterlicherseits entstammte H. Schlesinger, spätere Dohm einer jüdischen Familie, doch war ihr Vater, ein Tabakfabrikant, schon vor ihrer Geburt zum Christentum konvertiert. Wie ihren Schwestern, sie war das vierte von 18 Kindern, kam auch ihr nur eine eingeschränkte Schulbildung zuteil. Sie musste nämlich früh im Haushalt der Familie mithelfen. Als 18-Jährige wurde ihr schließlich der Besuch eines Lehrerinnenseminars gestattet. 1853 heiratete Hedwig Schlesinger, Redakteur bei und späterer Chefredakteur der satirischen Berliner Zeitschrift Kladderadatsch Ernst Dohm (1819–1883), mit dem sie fünf Kinder haben sollte. Eine ihrer Enkeltöchter war Katia Pringsheim, die Ehefrau von Thomas Mann. Nach der Studie Die spanische National-Literatur in ihrer geschichtlichen Entwicklung (1867) folgten in den 1870er Jahren erste literarische, aber bald auch protofeministische Texte wie z. B. Die wissenschaftliche Emancipation der Frau. Sie trat ab 1873 für das Wahlrecht der Frauen ein, war unter anderem Mitbegründerin des von Hedwig Kettler 1888 gegründeten Frauenvereins „Reform“, der sich für die gymnasiale Bildung und das Frauenstudium einsetzte, trat Minna Cauers „Verein Frauenwohl“ ein und war Mitglied von Helene Stöckers „Bund für Mutterschutz und Sexualreform“ (BfM). Hedwig Dohm widerlegte in mehreren ihrer Texte die unterstellte ‚Natur der Frau‘ und hielt der Idee eines biologistischen Geschlechterdualismus – hier das Gefühlswesen Frau, dort der rationale Mann – ihre Idee von Frauen und Männern als sogenannte Ganzmenschen entgegen. Sie plädierte für eine gleichberechtigte Ausbildung von Mädchen und Jungen sowie für die freie Berufswahl, der Frauen ökonomische Selbstständigkeit sicherte oder zumindest in Aussicht stellte. H. Dohm forderte überdies das Recht auf Schwangerschaftsabbruch, kritisierte das Eherecht, wo es Frauen benachteiligte, die Mystifizierung der Mutterschaft und Aspekte der Doppelmoral und sah in Prostitution eine „abstoßende Karikatur von Erotik“. Mit Ironie, aber auch treffenden Argumenten bis hin zu ätzendem Spott trat sie den zahlreichen Schriften gegen die Emanzipationsbestrebungen von Frauen entgegen, Friedrich Nietzsche ebenso wie Paul J. Möbius und dessen weitverbreitetem Pamphlet Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes (1900; Neuaufl. Berlin 1990).
Materialien und Quellen:
Eintrag von Sibylle Duda und Luise F. Pusch auf: fembio.org.: hier.
Eintrag von Jessica Bock auf: Digitales Deutsches Frauenarchiv: hier.
Maren Gottschalk: 100. Todestag von H. Dohm. In: WDR, 19.4.2019 (podcast)
Vom Stamm der Asra. Lustspiel in einem Act (Berlin 1874)
Die wissenschaftliche Emancipation der Frau (1874, Digitalisat); Die Antifeministen (Berlin 1907, Digitalisat)
H. Dohm-Edition (2006ff.)
Jérome Lombard: Pionierin der Frauenbewegung. In: Jüdische Allgemeine, 17.1.2019.
Julia Rupf: Frauen im Judentum: Zwischen Tradition und Feminismus (12.11. 2021): hier.
Forschungsliteratur (Auswahl):
Gaby Pailer: Hedwig Dohm. Hannover: Wehrhahn 2011 (= Meteore, Band 7) Hgg. von Alexander Košenina, Nikola Roßbach und Franziska Schößler;
(PHK, in preparation)