Zur Biographie: Blau Armin

In: Jeschurun. Heft 10. 5. Jahrgang. Oktober 1918

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In: Die Wahrheit. Jüdische Wochenschrift, Nr. 50, 13.12.1929, S. 7-8

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Zur Biographie: Klara Blum

In: Arbeiter-Zeitung. Zentralorgan der Sozialdemokratie Deutschösterreichs, 44. Jahrgang, Ausgabe 75 vom 16.03.1931, S. 5

[Orthographie und Zeichensetzung des Originals wurden bei dieser Transkription übernommen.]

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Tran-skription

Der Kampf der jüdischen Arbeiterin ist ein dreifacher: er richtet sich gleichzeitig gegen die Ausbeutung des Proletariats, gegen die Sonderstellung der jüdischen Massen und gegen die Entwertung der Frau. Er verläuft unter gehäuften Schwierigkeiten und gerade darum unter dem Hochdruck revolutionärer Spannung. Ueber den bisherigen Ablauf dieses Befreiungswerkes berichten zwei Bücher aus dem roten Palästina, beide im Verlag des Arbeiterinnenrates in Tel-Aviv erschienen. Als erstes Ada Fischmanns „Die arbeitende Frau in Palästina“, eine scharf umrissene Entwicklungsgeschichte dieser Arbeiterinnenbewegung, gesehen vom Standpunkt sozialen und wirtschaftlichen Geschehens. Als zweitens, noch unübersetzt, eine Sammlung von Briefen, Gedichten und Tagebuchauszügen. Auch dieses zweite Buch, „Worte der Arbeiterinnen“, wie sein orientalisch feierlicher Titel lautet, ist ein Stück Entwicklungsgeschichte der Palästinaproletarierin. Aber von einer ganz andern, einer viel mehr verworrenen und stimmungsbetonten Seite her gesehen: von der Seite des persönlichen Erlebens und seelischen Erleidens.

Das Buch Ada Fischmanns setzt die wirtschaftlichen und sozialen Ursachen der Palästinabewegung, die Not und das Auswanderungsbedürfnis der verfolgten und verelendeten ostjüdischen Massen, als bekannt voraus. Ebenso die besondere sozialistische Zielsetzung der nach Palästina ziehenden jüdischen Pionierjugend: Umschichtung des haltlosen Handeltreibenden Kleinbürgertums in ein auf festem Boden schaffendes Proletariat, Aufbau neuer Siedlung und Kultur mit neu- en kollektiven Formen der Wirtschaft und des Lebens Umerziehung des weltfremden Gettomenschen, haltlosen Hausierers zum neuen starken klassenbewußten jüdischen Arbeiter.

Diese Art der Pionierbewegung, Vorläuferbewegung, die sich von den bisherigen Palästinawanderungen grundlegend unterscheidet, beginnt um das Jahr 1904. Das erstemal kommen damals auch Mädchen als selbständige Arbeiterinnen ins Land, nicht mehr wie früher als Töchter oder als Bräute der Auswandernden, sondern aus der eigenen Entscheidung heraus und zur eigenen Leistung entschlossen. Ada Fischmann, selbst eine ihrer frühesten und erfolgreichsten Führerinnen, schildert die endlosen Schwierigkeiten, die sich diesen Pionierinnen im Anfang in den Weg stellen. Sie haben nicht nur, wie ihre männlichen Genossen, mit der ungewohnten Schwerarbeit, dem ungewohnten Klima, den unmenschlichen orientalischen Lohnbedingungen zu kämpfen, sondern außerdem noch mit einer Reihe alter, zäher Vorurteile. Sie finden keine anderen Geschlechtsgenossinnen im Lande vor als die versklavte Araberin und die konservative jüdische Kolonistenfrau, welche auf die Pionierin mit Verachtung herabsieht. Man betrachtet sie als „das Mädchen, welches auf schiefe Wege geraten ist“. Ihre Selbständigkeit wird verurteilt, ihr Opfermut verkannt. Sie drängt sich zur Land- und Bauarbeit, glühend in ihrem primitiven revolutionären Willen möchte sie beweisen, daß sie nicht weniger leisten kann als ein Mann. Aber die Unternehmer, meistens orthodoxe Juden weigern sich empört, ihr Arbeit zu geben. Der Kolonist erklärt, er würde nie die Sünde auf sich nehmen, jüdische Mädchen gemeinsam mit Burschen in entlegenen Pflanzungen arbeiten zu lassen, und der Bauunternehmer behauptet abergläubisch, ein Haus, unter der Mitwirkung von Frauenhänden errichtet, müsse unfehlbar einstürzen …

Und das Schmerzlichste von allem: auch in den eigenen Reihen sind die Vorurteile da. Die männlichen Genossen, revolutionär in allem, nur nicht in ihrer Einstellung zur Frau, lassen die Genossin deutlich und unverkennbar den Widerstand gegen ihre gleichberechtigte Mitarbeit, gegen ihre radikale Selbständigkeit fühlen. Auch da, wo die Arbeiter ihre eigenen Siedlungskommunen haben, werden die Mädchen im Anfang nur sehr widerwillig zur Mitarbeit zugelassen; immer wieder gibt man ihnen zu verstehen, daß sie wirtschaftlich eigentlich eine Belastung sind Um diese Legende zu zerstören, tun sich die Mädchen zeitweise in eigenen Siedlungen zusammen, schulen sich, arbeiten mit wütendem Trotz, erzielen glänzende Erfolge. Schritt für Schritt geht ihre Bewegung vorwärts. Konferenzen werden einberufen, der Arbeiterinnenrat gewinnt an Einfluß und Geltung in der gleichzeitig immer mehr sich entwickelnden Arbeitergewerkschaft. Das große Verdienst Ada Fischmanns ist es vor allem, daß sie der Frau den Weg zur Facharbeit gebahnt hat. Tatsächlich hat ein unsinniges Vorurteil, das sich noch dazu auf die Natur berief, der Frau lange Zeit den Weg zur „gelernten Arbeit“ versperrt und sie auf die körperlich viel mehr anstrengende Hilfsarbeit beschränkt. (Ada Fischmann schildert sehr treffend die alte „natürliche“ Arbeitsteilung beim Häuserbau, wo das Mädchen dem Burschen als Handlanger die schweren Steine vom Boden reicht, während er die körperlich leichtere, aber intelligentere Arbeit des Einfügen besorgt.) Mädchenschulen, besonders landwirtschaftliche, bilden heute für das ganze Land fachmännisch geschulte Genossinnen heran.

Wie sich dieser harte und mühsame Entwicklungsweg im innersten Seelenleben der Palästinaproletarierin widerspiegelt, erzählt nun das zweite Buch. Es ist ein verworrenes und dreifach gespanntes Seelenleben, das Seelenleben der von Traditionen ummauerten Gettojüdin, die gewaltsam nach Erneuerung ringt, der oft stark intellektuellen Kleinbürgerin, die bewußt den Weg zur Arbeit und zur proletarischen Einheit sucht, der behüteten Familientochter, die plötzlich heftig die alten, unerträglich gewordenen Lebensformen durchbricht. Ihre äußere Haltung ist heißer Trotz, brennende Tatenlust, ihre innere Haltung vibrierende Unsicherheit, Ueberempfindlichkeit, Zweifel am eigenen Können. Ein kluger und doch kindlich verträumter Brief faßt mißmutig die Eindrücke der ersten Arbeiterinnenkonferenz zusammen: „Wozu sind wir hervorgetreten? Wozu haben wir gesprochen, wenn wir es noch so schlecht konnten? Wir haben uns nur bloßgestellt.“ Und eine andre schildert ihren ersten Arbeitstag: „Man gab mir die leichteste Arbeit. Ich sah, daß die Burschen mich auslachten, und verlangte sofort die schwerere. Die Burschen lachten noch mehr, ich zeigte ihnen aber, daß ich es schaffen konnte. Am Schluß sprach mir der Leiter seine Anerkennung aus ich aber fühlte mich auf einmal so entsetzlich allein.“ Eine dritte schreibt in ihr Tagebuch: „Warum fühlt sich ein Mädchen erniedrigt, wenn ein Bursch sie verläßt? Das muß und muß end- lich aufhören. Ich will nicht, daß mein Selbstbewußtsein von den sexuellen Wünschen des Mannes abhängt. Es ist keine Schande, einen Mißerfolg in der Liebe zu erleiden, aber es ist eine Schande, dadurch sein Selbstbewußtsein zu verlieren.“

Und dann wieder ein Brief. Erster großer Streik, Streik in den Plantagen von Petach-Tikwah. Orangenernte, goldbrennende Früchte an allen Bäumen, Tage der paradiesischen Schönheit und des scheußlichsten Lohndruckes, der in Palästina bis heute jedes Jahr zur Zeit dieser Ernte wiederkehrt. Der Brief berichtet mit sehr einfachen Worten den Verlauf des Streiks, berichtet, wie Arbeiter und Arbeiterinnen gemeinsam gekämpft und gemeinsam sich durchgesetzt haben. Das eiserne Gesetz des Klassenkampfes, Tatsache und Erlösung zugleich, hat die Gegnerschaft zwischen den Geschlechtern zum Schweigen gebracht Und das Wissen um diese Entwicklung gibt der Palästinaproletarierein Zuversicht und bringt sie vorwärts.

Zur Biographie: Klara Blum

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In: Ostjüdische Zeitung. Organ für die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Interessen der Bukowinaer Judenschaft, 6. Jahrgang, Ausgabe 271 vom 09.10.1924, S. 2f

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Aus all den alten Schriften, aus dem Buche der Könige, der Richter, der Propheten, schaut uns immer wieder ein rührend anmutiges Gesicht entgegen. Und in der fremdartigen Tracht, in dem sonderbaren Rahmen längstvergangener Dinge erkennen wir eine altvertraute, täglich gewohnte Erscheinung: „Die Tochter Zions“.

Wie sie ruhig dasteht zwischen den schwarz-grünen Bäumen und den weissen Mauern des alten Judenlandes, hat sie schon irgend etwas schwer zu Bezeichnendes, das sie von den übrigen Frauen unterscheidet, ihr Wesen anders formt, ihr Schicksal anders färbt. Auf den ersten Blick scheint sie ganz Weib des Altertums, ganz Orientalin, weich träg, pflanzenhaft, eine seelenlose Blume der Lebenslust, wie sie all die anderen waren. Aber auf ihren schwarzen Wimpern, auf ihrem scharfen Profil und auf ihrer hohen Stirne liegt schon irgend ein Hauch von Menschentum, von Nachdenklichkeit, liegt die erste Spur einer beginnenden Vergeistigung: Leid.

Sie musste leiden, die arme, kleine Tochter des jüdischen Volkes, bitter und unaufhörlich leiden. Immer wieder gab es Bedrängnis, Kriegsnot, Blut, Tod, immer wieder Gefangenschaft, Verbannung. Immer wieder hiess es: „Weine, Tochter Zions, klage, zerreisse deine Kleider, weine um dein Volk, klage und weine“. Dieses ewige, bitter ernste Trauern wurde zu einem bleibenden Zug ihres Wesens, wurde zu einer frommen Pflicht, der sie nicht untreu werden durfte. Wie schalt der Prophet, wenn sie sich manchmal ein wenig vergass, sich an schönen Gewändern freute oder Vergnügen daran fand, mit dem dunklen Feuer ihrer Augen zu spielen und mit der leichten Musik ihrer Füsse. Immer wieder und wieder kam das grosse Volkslied, riss sie aus dem süssen Halbschlaf ihres Haremlebens, zwang schmerzhaft den kaum erwachten Geist zu grossen, unpersönlichen Volksgefühlen. Vielleicht dass ihr kindhafter Verstand schon damals darüber nachgegrübelt hat, was das wohl zu bedeuten hätte, dass gerade ihr, der Tochter des auserwählten Volkes, ein ernsteres, trüberes Dasein beschieden war als ihren Gefährtinnen. Und das war eine von den vielen Fragen, deren Antwort lange auf sich warten lässt, – jahrtausendelang.

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Und Jahrtausende später sitzt die Tochter Zions, den Kopf in die Hände gestützt und sinnt und sinnt… 

Sie überdenkt ihre Lebenspläne, Aussichten, Schwierigkeiten …

Sie hat es schwerer als andere. In doppelter Hinsicht. Sie ist Weib und ist Jüdin. Ist zweifach geringgeschätzt, zurückgesetzt, ausgestossen von aller Gleichberechtigung. Ihre Brüder haben es schwer, weil sie Juden sind, aber sie sind Männer. Ihre Schwestern haben es schwer, weil sie Frauen sind, aber sie sind keine Juden. Sie aber, die arme kleine Tochter Zions muss zwei Lasten tragen, wo schon eine drückend genug ist.

Ihre schwere Stirne sinkt …

Es war ein Tag in ihrem Leben, da hatte sie einen Atemzug lang völlig an ihr Judentum vergessen, an ihr stilles, stolzes, ewiges Leid, so gross und schön war der Gedanke, der auf einmal von ihr und Millionen Frauen Besitz ergriffen hatte: Wir wollen unseren vollen Anteil am Leben, an der Weltarbeit, am Weltgeist. Unnatürlich einseitige Geschöpfe waren wir bisher, gewaltsam zu schwachen, stumpfen, unselbständigen Wesen verkümmert, um einem einzigen Daseinszweck besser zu dienen. Wir wollen nicht mehr. Gebt uns unsere Menschenrechte, um die ihr uns jahrtausendelang betrogen habt. Gebt uns unser Menschentum wieder.

Rascher, feuriger, zuversichtlicher als alle anderen hatte sie diesen Gedanken erfasst, der so ganz ihrem innersten Wesen entsprach, ihrem brennenden Wissensdurst, ihrem fiebernden Tatendrang …

Eine Zukunftswelt lag plötzlich vor ihren Augen, reich, schön, frei …

Aber ihr grüblerischer, messerscharfer Intellekt zerteilte den Rausch der Begeisterung.

Und wenn das grosse Ziel erreicht wurde? – Auch unter gleichberechtigten Frauen war die Jüdin ewig ungleichberechtigt.

Und sie begriff den grossen Sinn des Judentums.

Auch andere Nationen hatten ihr Volkstum. Aber sie hatten ausserdem, und völlig getrennt davon, die Interessen ihrer Religion, ihrer Klasse, ihres Geschlechtes. Doch das ewig rätselvolle und sonderbare Schicksal des Juden wollte es, dass er, gezwungen, alles mit seinem Volkstum zu verquicken, nie daran vergesse. Feinde sandte es in seinen Weg, die es ihm ins Gedächtnis riefen, weil sie ihm damit zu höhnen glaubten, während sie ihm unbewusst dienten. Und darum ward sein unterdrücktes Volk vergessend, einer unterdrückten Klasse beistehend, so konnte es erleben, dass die, denen es zur Gleichberechtigung verholfen hatte, ihm dann mit dem einzigen Wort: „Jude!“ diese selbsterkämpfte Gleichberechtigung verweigerten. Und darum schüttelt auch die kleine Tochter Zions mutig alle Zweifel ab und sagt sich entschlossen: Ohne mein Volk gibt es für mich keine Emanzipation.

Mein geliebtes Volk, ich bleibe bei dir. Meine Ansprüche, meine Frauenrechte, ich lege sie in deine Hand. Ich weiss, du wirst sie ohnehin besser verstehen als die anderen Völker. Du hattest doch nie so recht Sinn und Zeit für dieses unglückselige Experiment, lebende, denkende Menschen in künstlicher Schwäche und Unwissenheit heranzuzüchten, als einseitige Liebesgeschöpfe und Luxusgeschöpfe. Du, auf deinem beispiellosen Leidensweg brauchtest Menschen und hast darum auch mein Menschentum immer ein wenig in Anspruch genommen. Schon damals, im Altertume, als alle anderen nur Weib waren, war ich schon ein wenig Jüdin, habe für dich gelitten, um dich geweint. Und dann später, viel später, in dem armseligen Ghettohäuschen, habe ich da nicht gearbeitet und verdient wie die modernste Frau, um meinem Mann das Talmudstudium zu ermöglichen? Und zuletzt, bei dem ersten Kongress deiner stolzen Selbstbefreiung, hast du mir da nicht als erstes unter den Völkern das Stimmrecht gewährt, wie einem Manne?

Du brauchst mich, mein Volk. Du brauchst mich zum Aufbau deines Landes. Meine sorgenden Gedanken, meine fiebernde Arbeitslust, meine freudige Opferbereitschaft, du kannst sie nicht entbehren. Menschen brauchst du und wirst nicht danach fragen, ob Männer oder Frauen. Wenn es nur ganze Menschen sind.

Mein geliebtes Volk, die Tochter Zions bleibt bei dir! Dein Gott ist mein Gott. Dein Land ist mein Land. Und deine Gleichberechtigung ist auch meine Gleichberechtigung.