➥ Zur Biographie: Baer-Issacher Marta

Aus: Lazar Schön (Hg.): Die Stimme der Wahrheit. Jahrbuch für wissenschaftlichen Zionismus. 1 (1905),

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In: Die Welt, 8. Jahrgang, Ausgabe 22 vom 27.05.1904, S. 16f

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Nicht länger träum ‚ den alten Traum

 Von Festeslust und kurzer Freude;

Blick um dich, Weib! Dein Bruder bricht

Zusammen fast, erdrückt vom Leide.

Streich von der Stirn, was dich verwirrt

Und was dein Denken unklar macht,

Zu schwer auf deinem Bruder liegt

 Die ewiglange Leidensnacht.

Nach Osten sieh! Und wenn dein Herz

Noch jüdisch fühlt, muss es dich fassen:

 Du darfst dein Volk nicht tatenlos

 Im Elend untergehen lassen.

 Nach Osten sieh, nach Hilfe schau,

 Bring selbst dem Volke dar dein Leben,

 Du sollst ’s als Tochter deines Stamm`s

 Auf deines Volkes Altar geben.

Du sollst die Wege deines Volks

 In Liebe treu, in Liebe gehen,

 Und leuchtend wird vor diesem Weg

 Das Bild vom neuen Zion stehen.

Das wird in deine Augen klar

Und hell den Gottesfrieden giessen,

Und alle bitt ‚re Wegemüh‘

 Wird dir das grosse Ziel versüssen.

 Wenn du dies Ziel vor Augen hast,

Wird jede Mühe leicht dir scheinen,

 All ‚ das, was du an Glück erträumst,

Wird sich in diesem Wort vereinen.

 Geh nur den Weg, den ich dir sag:

Sieh, deine Kinder sind mein Hoffen,

 An deine Kinder reiner Hand

 Steht dir auch deine Heimat offen.

 Zieh auf den Schoss dein Mädchen dir,

Zu Füssen sitze dir dein Knabe,

Und male leuchtend ihm das Bild

Von deiner einst ‚gen Heimathabe.

Und wenn an dir sein Auge hängt

Und schnell das Herz des Mädchens schlägt,

Dann reiss sie auf und zeig das Leid,

Das noch ihr Bruder stöhnend trägt.

Dann weise hin sie auf das Blut,

Das man aus ihrem Leib gesogen;

Zeig, wie man sie um Heimatsluft

Und Menschenrechte hat betrogen.

Und wenn dir dann ihr Auge folgt,

Umflort vom tiefen Leid, dem trüben,

Dann zeige ihnen, was du willst:

„. . . Ein stolzes Hoffen ist uns blieben . .

 Ein Hoffen, das uns Arbeit heisst,

Ein Streben, Schaffen, volles Leben,

Dass unserm wandermüden Volk

Wir wieder Heimatfrieden geben.

Zeig ihnen, dass der Weg noch frei,

Dass unser Pfad noch unberührt

Dass er an aller Welt vorbei

In unser Land nach Zion führt.

Weck dann im ihm die Sehnsucht auf

Zu seinem Volk, dem er entstammt,

Dass alle seine Leidenschaft

Und Liebe ihm entgegenflammt.

Er wird mit seiner starken Hand

Dem Volke seinen Frieden geben,

Und du, o Weib, wirst froh vereint

Mit ihm im diesem Frieden leben.

Lass fahren du den alten Traum

Von Festeslust und kurzer Freude,

Blick um dich, Weib, dein Bruder bricht

Zusammen fast, erdrückt vom Leide!

M a r t a Baer – Issachar